Tschachtlans Bilderchronik

Zentralbibliothek Zürich, Ms. A 120

Die erste illustrierte Schweizer Chronik zeichnet sich durch ihre unbekümmerte und frische Bildsprache aus, die sich besonders in den meist ganzseitigen Illustrationen von Dingen des alltäglichen Lebens offenbart. Die Bilderchronik endet im Jahr 1470.

Tschachtlans Bilderchronik

Tschachtlan: Politiker und Chronist

Bendicht Tschachtlan erschien als zuverlässiger, hingebungsvoller Staats- und Verwaltungsmann; er war ein Angehöriger der begüterten und emporstrebenden oberen Mittelschicht, erfahren und maßvoll. Er stand dem Adel nahe und war auf Wahrung der Ehre seines Namens bedacht. Insgesamt stand er 45 Jahre lang im öffentlichen Dienst. Geboren wurde er um das Jahr 1420. 1448 trat er in den Großen Rat der Stadt Bern ein, 1452 verehelichte er sich.

Als Mitglied des Rates war er in den Jahren von 1453 bis 1493 an den wichtigen Entscheidungen der Stadt beteiligt; seine Amtstätigkeit umfasste wesentliche Teile der damaligen Wirkungsbereiche des Staates: Finanz- und Bauwesen, Recht, Wirtschaft und Aufsicht über geistliche Institutionen. Seit der Mitte der achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts begann Tschachtlan, seine Ämter abzugeben. Der Chronist und Politiker verstarb im Herbst 1493.

Tschachtlans Bilderchronik

Zentralbibliothek Zürich, Ms. A 120

Die älteste Schweizer Bilderchronik

Die Chronik Tschachtlans weist einige großartige Neuerungen auf dem Gebiet der Chronistik auf. Zum einen handelt es sich um die erste illustrierte Chronik; die Bilder sollten den Text augenfällig illustrieren. Zudem ist erstmals eine gesamte Rezeption der großen Geschichtsschreiber vor Tschachtlan, Konrad Justinger und Hans Fründ, in einem Band vorgenommen worden. Außerdem liegt ein Teil der Chronik auch dem ersten Werk des Diebold Schilling zugrunde. Vermutlich hat der junge Schilling sogar mit redaktionellen Arbeiten an der Chronik Tschachtlans mitgewirkt. Eigentlicher Schreiber des Textes war Heinrich Dittlinger; auch er war Politiker in Bern. Gemeinsam schrieben die beiden die Chronik ohne amtlichen Auftrag, als reine Privatarbeit; im Nachwort bezeichnen sie sich selbst als Autoren und halten fest, die Chronik sei 1470 beendet worden.

Eidgenössische Geschichte von 1152 bis 1470

Der Text ist nur zu einem kleinen Teil Tschachtlans eigenes Werk. Der erste Teil, der die Zeit bis 1431 behandelt, basiert auf der Amtlichen Berner Chronik des Konrad Justinger aus dem Jahr 1431. Im zweiten Teil, in dem der Alte Zürichkrieg zur Sprache kommt, bezog sich Tschachtlan auf die Chronik des Hans Fründ. Der Rest stammt vom Ratsherrn selbst. Änderungen fand Tschachtlan vor allem dort angebracht, wo Negatives über seine Heimatstadt Bern ausgesagt wurde. Es lag in seiner Absicht, Bern und seine Geschichte in den Vordergrund zu rücken. Da aber Bern seit 1323 mit den Waldstätten verbündet war und seit 1353 zur achtörtigen Eidgenossenschaft gehörte, ist Berns Geschichte zugleich eidgenössische Geschichte.

Der Bilderschmuck

Tschachtlan malt in bewundernswerter Mannigfaltigkeit. Kulturgeschichtlich sind diese Bilder eine unerschöpfliche Fundgrube: Waffen, Kleider, Uniformen, Belagerungs- und Kampftechnik und Lagerleben sind gut zu studieren. Mit geübtem Auge hält Tschachtlan auch Dinge des alltäglichen Lebens fest: Gerichtsszenen, das Leben auf dem Land, Städte und Schlösser. Daneben ist die Chronik erfüllt vom Kriegslärm und Feldzügen, Belagerungen und Eroberungen. Das ganze bunte Treiben in Stadt und Land, vor allem das Kriegerische jener Zeit, sowie das Gehabe großer Staatsmänner und das Leben einfacher Kriegsknechte: all diese Bereiche sind in der Chronik auf das hervorragendste eingefangen worden. Das Werk ist ein begeisternder Zeuge der Schweizer Geschichte.

Der Ursprung der Schweizer Bilderchroniken

In den Bilderchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts schuf die damalige Eidgenossenschaft Kulturdokumente von einzigartigem Gepräge. Am Anfang steht ein erstaunliches Werk, dessen unbekümmerte Bildersprache von hohem künstlerischem Reiz ist. Das Besondere an Tschachtlans Chronik liegt in ihrem Bilderschmuck, den 230 farbigen, meist ganzseitigen Illustrationen, die noch ganz dem späten Mittelalter verhaftet sind und sich durch Unbekümmertheit und Frische auszeichnen. Alle Bilder erscheinen jeweils als reliefartiger Terrainausschnitt und bestechen durch ihre leuchtende und lebendige Darstellungsweise.

Die Faksimile-Edition

Die Faksimile-Edition erscheint in einer einmaligen, streng auf 980 numerierte Exemplare limitierten Auflage. Alle 1060 Seiten mit den 230 Illustrationen wurden im Originalformat von 29,8 x 22,0 cm faksimiliert. In mühevoller Handarbeit wurden der Ganzledereinband, die Prägungen auf dem Leder und die Buchschließen nach dem Original angefertigt. Die Blätter wurden von Hand auf fünf echte Bünde geheftet.

Der Kommentarband

Der Kommentarband mit einem Umfang von über 470 Seiten erscheint als Halblederband im selben Format wie das Faksimile. Aus Anlass der Faksimilierung haben namhafte Experten eine vollständige Untersuchung des Werkes und seines Umfeldes durchgeführt. Herausgeber des Kommentarbandes ist Prof. Dr. Alfred A. Schmid, Ordinarius für Kunstgeschichte, Universität Freiburg i.Ü. Die weiteren Autoren: Prof. Dr. Pascal Ladner, Ordinarius für historische Grundwissenschaften an der Universität Freiburg i.Ü., Dr. Sigmund Widmer, Nationalrat, alt Stadtpräsident von Zürich, Dr. Urs Martin Zahnd und Prof. Hans A. Michel, Bern, Vinzenz Bartlome, Bern. Entscheidend zum besseren Verständnis des Werkes trägt auch die vollständige Transkription des Textes durch Prof. Dr. Pascal Ladner bei.