Cleveland Museum of Art, Cleveland, MS 21/63.256
Stundenbuch der Isabella von Kastilien
Detailreiche Trompe-l’oeil-Randdekorationen, ausdrucksstarke Miniaturen, gesättigte, leuchtende Farben und üppige Landschaften: Entstanden zu einer Zeit, als sich flämische Miniaturen einer großen Beliebtheit in ganz Europa erfreuten, ist das opulente Stundenbuch der Isabella von Kastilien ein wahres Meisterwerk seines Genres und sein ikonographischer und dekorativer Apparatus repräsentativ für den flämischen Stil. Die Handschrift stammt aus den Werkstätten der berühmtesten Buchmaler der Gent-Brügger Schule und wurde für Königin Isabella I. von Kastilien, eine große Bewunderin der flämischen Buchkunst, angefertigt.
Ein Stundenbuch für die Königin von Spanien
Das Stundenbuch wurde, wie der Name schon vermuten lässt, für Königin Isabella I. von Kastilien (1451-1504), auch Isabella die Katholische genannt, angefertigt. Isabella ist zusammen mit ihrem Mann König Ferdinand V. heutzutage vor allem durch ihre Assoziation mit Christoph Kolumbus und der “Entdeckung” des amerikanischen Kontinents bekannt.
Auf dem ersten Blatt der Handschrift lassen sich das Wappen und Motto von Isabella und Ferdinand finden und bestätigen so die Eigentümerschaft. Unklar ist jedoch immer noch, von wem und aus welchem Grund das Stundenbuch in Auftrag gegeben wurde. Die meisten Quellen vermuten, dass es sich entweder um ein verspätetes Hochzeitsgeschenk oder ein Trostgeschenk anlässlich des Todes eines von Isabella und Ferdinands Söhnen handelte. Hier lässt sich jedoch nur spekulieren. Wer auch immer ihr dieses großzügige Geschenk machte, kannte Geschmack der Königin sehr gut: Isabella galt als große Bewunderin der flämischen Buchmalerei und besaß eine Vielzahl von prachtvollen religiösen Handschriften, die sie in ihrer Privatbibliothek im Alcazar in Madrid aufbewahrte.
Stundenbuch der Isabella von Kastilien
15. Jahrhundert
Exquisit verzierte Miniaturen
Das Stundenbuch der Isabella von Kastilien ist ohne Zweifel eines der elegantesten flämischen Manuskripte der Epoche der Renaissance. Die Handschrift, auch bekannt unter dem Namen Libro de Horas de la Reina Isabel la Católica, entstand Ende des 15. Jahrhunderts in Brügge und Gent in einer Zusammenarbeit zwischen den renommiertesten flämischen Buchmalern ihrer Zeit. Auf 558 Seiten im Format von 23,5 x 17,3 cm lassen sich 40 exquisit verzierte ganzseitige Miniaturen, 10 halbseitige Miniaturen und 24 Kalendermedaillons sowie mehr als 300 Randdekorationen finden. Das elegante Schriftbild des Stundenbuches ergibt sich durch die Verwendung der Gotischen Textura. Die Handschrift enthält die für ein Stundenbuch charakteristischen Texte; unter anderem einen Kalender, das Marienoffizium, das Totenoffizium, Bußpsalmen, die Litanei sowie eine Reihe von Gebeten, allesamt illustriert von reichem Buchschmuck.
Die Meister der Gent-Brügger Schule
Die am Stundenbuch beteiligten Buchmaler gelten allesamt als wichtige Vertreter der sogenannten Gent-Brügger Schule, die den Höhepunkt der flämischen Buchkunst repräsentiert. Die im Stundenbuch der Isabella von Kastilien vorkommenden reichen Farben, illusionistischen Effekte und virtuos ausgeführten Landschaftsdarstellungen sind die Hauptmerkmale dieser renommierten Gruppe. Zudem handelt es sich bei den Buchmalern der Gent-Brügger Schule um großartige visuelle Geschichtenerzähler, deren ausdrucksstarke Miniaturen es schaffen, das menschliche Drama inmitten den Heiligen wie auch des Profanen einzufangen und darzustellen.
Blumenränder im Trompe-l’oeil-Effekt
Das Stundenbuch der Isabella von Kastilien besticht neben seinen meisterhaft ausgeführten Miniaturen vor allem durch seine Randdekorationen, die sich aus einer Vielzahl von Blumen in einem lockeren Streumuster, gewellten Akanthusblättern, Vögeln und Schmetterlingen zusammensetzen. Diese realistisch dargestellten Elemente werfen Schatten auf die farbigen Untergründe der Ränder, die einen Trompe-l’oeil-Effekt entstehen lassen; eine bedeutende Innovation der Maler der Gent-Brügger Schule.
Das Stundenbuch im Laufe der Jahrhunderte
Es ist nicht bekannt, was mit dem Stundenbuch nach Isabellas Tod im Jahre 1504 passierte. Erst im späten 19. Jahrhundert lassen sich wieder Spuren der Handschrift finden, als sie in der Sammlung von Baron Edmond de Rothschild in Paris, Mitglied der mächtigen Bankiersfamilie Rothschild, auftauchte. Über Umwege wurde das Stundenbuch dann im Jahre 1963 vom Cleveland Museum of Art (Cleveland, USA) erworben, wo es heutzutage unter der Signatur MS 21/63.256 zu finden ist. Der exzellente Erhaltungszustand der Original-Handschrift macht diese Faksimile-Edition des Stundenbuchs zu einem wahren Genuss für Bibliophile.