Mainzer Evangeliar

Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 13

Einmalig für seine Zeit ist die Fülle des Bilderzyklus, der das vollständige Leben Jesu in Gold und leuchtenden Farben illustriert. Die durchgehend goldene Schrifttextur und meist auf Goldgrund gemalte Miniaturen machen den Codex Aureus zu einem der bedeutendsten Werke deutscher Malerei des 13. Jahrhunderts.

Codex aureus: Ein goldenes Buch

Das Mainzer Evangeliar vereinigt die vier Evangelien des Neuen Testaments nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zu einem Band. Für die Abschrift des vollständigen Evangelientextes wurde als Zeichen allerhöchster Wertschätzung reine Goldtinte verwendet. Nur die als nicht heilig geltenden Einträge der Kanontafeln und die Evangelienprologe sind in schwarzer Tinte geschrieben.

Als Codex aureus (lat.: goldenes Buch) knüpft die kostbare Handschrift an die kaiserliche Tradition der goldenen Evangelienbücher aus karolingischer und ottonischer Zeit und nimmt unter den Handschriften des 11. bis 13. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein.

Die »Textura« genannte Schrift des Mainzer Evangeliars wird heute als die höchstentwickelte kalligraphische Buchschrift der Gotik angesehen. Der gleichmäßige Abstand zwischen den Wörtern und der sorgfältige Duktus sorgen für eine gute Lesbarkeit und ein attraktives Gesamtschriftbild. Sie war übrigens auch das Vorbild für Gutenbergs Lettern.

Mainzer Evangeliar

13. Jahrhundert

In der kulturellen und wirtschaftlichen Blütezeit des Erzbistums Mainz entstand mit dem Mainzer Evangeliar um 1250 das vielleicht bedeutendste Werk der deutschen Malerei des 13. Jahrhunderts. Der Auftraggeber dieses unvergleichlichen Prachtevangeliars ist heute unbekannt. Die außergewöhnlich kostbare Ausstattung legt aber nahe, den mächtigen Mainzer Erzbischof entweder als Stifter oder Adressaten der einzigartigen Handschrift anzusehen.

Über die Jahrhunderte zeitweise im Mainzer Domschatz gehütet, wird das Mainzer Evangeliar seit 1803 in der Hofbibliothek von Aschaffenburg aufbewahrt.

71 Einzelbilder und über 300 Zierinitialen

In einem virtuosen Bilderzyklus visualisiert der unbekannte Meister in insgesamt 71, teilweise ganzseitigen Miniaturen Szenen aus dem Neuen Testament. Einmalig für das 13. Jahrhundert ist die Fülle der Bilder zum Leben Jesu: Kindheitsgeschichte, Jesu Wunderwirken, Passion, Kreuzestod, Beweinung und Auferstehung werden zumeist auf Goldgrund und in tief leuchtenden Farben eindrucksvoll dargestellt. Die christologischen Bilderzyklen der Reichenauer und Trier-Echternachter Handschriften aus dem 10. und 11. Jahrhundert lassen ihren starken Einfluss noch spüren.

Kanontafeln und mehrzeilige große ornamentale Initialen sowie 300 mehrfarbige kleine Zierinitialen schmücken die 100 Blätter der Handschrift im repräsentativen Format von 35,3 x 27,0 cm.

Markanter Ausdruck des frühgotischen Zackenstils

Beeinflusst von der entstehenden gotischen Architektur in Frankreich, verbreitete sich im 13. Jahrhundert in der deutschen Buchmalerei der »Zackenstil«, einer nach der zackigen, scharfbrüchigen Gestaltung der Gewänder bezeichneten, markanten Spielart des gotischen Figurenstils. Die wachsende Konkurrenz zwischen Bildhauerei und Malerei im Zuge der mittelalterlichen Kathedralbaukunst mag entscheidend zu der Ausbildung des neuen Stils beigetragen haben. War in der Romanik die Horizontale die stilprägende Raumdimension, so verschiebt sich jene Bedeutung in der Gotik zugunsten der Vertikalen: Formen streben gegen den Himmel, sind verglichen mit früher geprägt von Klarheit, Transparenz und Dynamik. Die gotische Formensprache wurzelt in der Überzeugung, dass geistige Wahrheit im Schönen transparent wird.

Die manchmal übersteigert kantigen Konturen des »Zackenstils« erklären sich aus dem Bestreben, der Kirchenplastik etwas an Ausdruck und Lebendigkeit adäquates gegenüberzustellen. Byzantinische Einflüsse in der Figurengestaltung verschmelzen dabei mit den neuen Impulsen aus Frankreich zu einer bewegenden Expressivität und reliefartigen Plastizität.

Meisterwerk der Faksimilierkunst

Mit insgesamt 71 Einzelbildern auf 100 Blättern, 300 Zierinitialen und dem vollständig in Gold geschriebenen Evangelientext gebührt dem Codex ein Ehrenplatz unter den deutschen Handschriften des 13. Jahrhunderts.

Die Faksimile-Edition des Mainzer Evangeliars erscheint in einer weltweit auf 980 von Hand numerierte Exemplare limitierten Auflage. Alle 200 Seiten sind im Originalformat 35,3 x 27,0 cm wiedergegeben und getreu dem Original randbeschnitten.

Als Vorlage und würdigen Ersatz für den im Laufe der Zeit verloren gegangenen Originaleinband des Mainzer Evangeliars – ein gängiges Schicksal vieler kostbarer Prachteinbände – wurde der Einband des ebenfalls im 13. Jahrhundert entstandenen Preetzer Evangeliars gewählt. Die Faksimile-Edition ist mit einem Einband aus feinstem dunklen Leder versehen und mit blindgeprägten Linien und einer eingelassenen Silberplatte geschmückt. Fünf silbervergoldete Medaillons mit den vier Evangelistensymbolen und einer Darstellung des thronenden Christus im Zentrum sind auf der Silberplatte als Schmuckelemente appliziert. Ein Goldschnitt veredelt dreiseitig alle Blätter des Bandes.

Ein Fest der Farbe und des Lichts

Inmitten der durchgehend goldenen Schrifttextur sticht ausgesprochen reizvoll das brillante Kolorit der Miniaturen heraus, das den Vergleich mit farbenprächtigen Kirchenfresken und der Leuchtkraft der Glasmalerei nicht zu scheuen braucht. Gleich einem lichtdurchfluteten Kirchenfenster leuchten die kräftigen Farben der Bild- und Zierelemente aus dem fast blendenden Goldgrund. Intensive Rot-, Grün- und Blaupigmente neben pastellartigeren Schattierungen in Hellblau, Rosa, Purpur und Violett verleihen den Bildern und Initialen eine kostbare und ausgewogene Ausstrahlung.

Der Kommentarband

Der wissenschaftliche Kommentarband setzt sich ausführlich mit dem Mainzer Evangeliar auseinander.

Der Kunsthistoriker Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Professor an der Kunsthochschule Kassel, gliedert die Handschrift in das kulturhistorische Umfeld ihrer Entstehungszeit ein. Eine detaillierte Beschreibung der Miniaturen und des Buchschmucks reflektiert den aktuellen Wissensstand.

Faksimile- und Kommentarband werden in einer dekorativen Schmuckkassette aus burgunderrotem Velours geliefert.