Bedford-Stundenbuch

British Library, London, Ms. Add. 18850

Das reichste Stundenbuch des Mittelalters, eine Glanzleistung der Pariser Buchmalerei, entstand im frühen 15. Jahrhundert. Die extrem reiche Ausstattung der Handschrift, das Verständnis für perspektivische Darstellung und die ausdrucksstarke Mimik der Figuren zeugen von der ungeheuren Innovationskraft des »Bedford-Meisters«.

Bedford-Stundenbuch

Ungewöhnliche Vielfalt: 1288 Bilder und Gold auf jeder Seite

Mit 578 Seiten im Format 26,3 x 18,4 cm ist das Bedford-Stundenbuch eine ungewöhnlich umfangreiche Bilderhandschrift. Insgesamt 38 großformatige Miniaturen zeugen von der ungeheuren Innovationskraft der Künstler. Jede Text- wie Bildseite wird von einem dichten Rankenwerk aus goldstrahlenden Weinblättern, Akanthusschmuck und kleinen Blüten und Tieren verziert. In diese Schmuckbordüren sind zusätzlich über 1250 Medaillons eingelassen, die die verschiedensten Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament wiedergeben.

Damit ist jede Seite von mindestens zwei Bildern geschmückt, die das Bedford-Stundenbuch zur reichsten biblischen Ikonographie des Mittelalters machen. Der mit zahlreichen Goldinitialen und phantasievollen Zeilenfüllern durchsetzte Text ist lateinisch. Am Fuß jeder Seite stehen französische Erläuterungen der Miniaturen in roter, blauer und goldener Schrift.

Der Codex wird heute in London als einer der größten Kunstschätze der British Library verwahrt und ragt hier als Prunkstück unter den Handschriften hervor.

Bedford-Stundenbuch

British Library, London, Ms. Add. 18850

Der Herzog von Bedford: Mäzen und Feldherr

Als das Werk entstand, befanden sich Frankreich und England schon seit vielen Jahrzehnten in einem Krieg, der als der »Hundertjährige« in die Geschichte einging. Es war der Herzog von Bedford, der seinerzeit in Allianz mit Burgund erfolgreich für das englische Anliegen kämpfte, halb Frankreich eroberte und schließlich sogar die Truppen der Jeanne d’Arc aufhielt. Er war es aber auch, der mit Anna von Burgund, Tochter des Herzogs Johann Ohnefurcht, in den kunstsinnigen Burgunder-Adel einheiratete und selbst viele prachtvolle Manuskripte anfertigen ließ.

Ein herrliches Buch für eine große Liebe

Zu dieser Hochzeit im Jahre 1423 erhielt Anna wohl das Bedford-Stundenbuch als kostbares Präsent von ihrem Bruder Philipp, der es von seinem Vater Johann Ohnefurcht geerbt hatte, dem Auftraggeber der Handschrift.

Aus der Zweckehe zwischen dem Herzog von Bedford und Anna von Burgund wurde rasch eine große Liebe. Am Ende, nachdem Anna jung verstorben war, betrachteten Zeitgenossen das Stundenbuch, dessen Herstellung Unsummen verschlungen haben muss, als kostbares Zeichen jener tiefen Leidenschaft.

Samteinband mit vergoldeten Schließen

Das Bedford-Stundenbuch erscheint als Faksimile-Edition in einer weltweit limitierten Auflage von nur 980 Exemplaren. Alle 578 Seiten sind originalgetreu im Format von 26,3 x18,4 cm wiedergegeben und randbeschnitten. Getreu dem Original werden auf jeder Seite das leuchtende Blattgold, das seidig schimmernde Pinselgold sowie die Silberakzente differenziert wiedergegeben. Selbst die feinsten Ziselierungen des Goldes sind im Faksimile zu sehen.

Den Einband aus rotem Samt schmücken zwei vergoldete Schließen, die mit einer feinen Gravur verziert sind. Diese geben Wappen und Devise des großen englischen Büchersammlers Baron Harley wieder. Den Buchblock mit dem handumstochenen, zweifarbigen Kapital ziert ein edler Pinselgoldschnitt.

Der Kommentarband

Für den wissenschaftlichen Kommentar zum Bedford-Stundenbuch konnte der Faksimile Verlag Prof. Eberhard König (Berlin) gewinnen, dem es gelang, der bislang unerforschten Reihe von Medaillons in den Bedford Hours manch Geheimnis zu entlocken.

Die Faksimile-Edition wird in einem Schuber aus Acrylglas geliefert, der das Bedford-Stundenbuchzugleich schützt und angemessen präsentiert.

Meisterwerke der Porträtkunst

Noch heute verspürt der Betrachter die Begeisterung des Künstlers für eine genaue Naturbeobachtung. Bei aller Beibehaltung rein dekorativer Momente fasziniert vor allem sein Verständnis für perspektivische Darstellungen, für landschaftliche Weite und architektonische Zusammenhänge – ein Verständnis, das weit in die Zukunft weist.

Gerühmt wird der Bedford-Meister auch für seine liebevollen Personendarstellungen – kleine Meisterwerke der Porträtmalerei. Sein Pinselstrich verleiht den Personen verschiedenste Ausdrücke im Mienenspiel.

Eine der meistzitierten Bilderhandschriften

Das Bedford-Stundenbuch ging als kostbares Beispiel adliger Bibliophilie in die Geschichte der Buchmalerei ein. Unter der englischen Bezeichnung Bedford Hours wurde es als eines der reichsten Stundenbücher, das jemals ein Atelier verlassen hat, weltberühmt. Miniaturen aus dem Bedford-Stundenbuch wie der Turmbau zu Babel gehören zu den am häufigsten abgebildeten Beispielen für die kreative Zeit der ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts. Die Kunst der gotischen Buchmalerei stand in ihrem Zenit; am Horizont deuteten sich schon die neuen Ideen des flämischen Realismus an.

Der Bedford-Meister: Ein Genie der Buchmalerei

Das Bedford-Stundenbuch gehört zu den Glanzleistungen der Pariser Buchmalerei. Es entstand vollständig im Atelier des genialen Bedford-Meisters, der persönlich die meisten Miniaturen malte und für die anderen Bildern seinen Mitarbeitern genaue Instruktionen gab.

Obwohl der Bedford-Meister einer der führenden und produktivsten Maler dieser Zeit gewesen ist, hat erstaunlicherweise keine Quelle seine Identität überliefert. Den Notnamen lieferte der englische Herzog, der lange Jahre für den Auftraggeber des Stundenbuchs gehalten wurde: John of Lancaster (1389–1435), Herzog von Bedford und jüngerer Bruder des englischen Königs Heinrich V. Von ca. 1410 an war dieser begabte Maler für mehr als ein Vierteljahrhundert einer der bedeutendsten Buchmaler Europas. Sein Werk orientiert sich an den Brüdern Limburg, den Schöpfern der Très Riches Heures du Duc de Berry. Er bereicherte deren Kunst jedoch um ganz neue Elemente. Auch der Austausch mit anderen Ateliers war ihm wichtig. So entstand das Buch der Wunder mit Marco Polos Reisebericht als enge Zusammenarbeit des Bedford-Meisters mit dem Boucicaut-Meister.